
Herr Wolff, sie definieren Kreativität kurz und knapp mit „Etwas neues und nützliches in die Welt bringen“. Kann man lernen, kreativ zu sein oder ist das nur etwas für Genies?
Kreativität ist auf jeden Fall erlernbar, denn sie ist ein Prozess, in dem ganz bestimmte Methoden angewandt werden. Und diese wiederum kann man sich aneignen.
Können Sie uns diesen Prozess etwas genauer erklären? Wie läuft der kreative Denkprozess idealtypisch ab?
Der kreative Prozess durchläuft drei Phasen: Am Anfang steht die Analyse eines Problems oder einer Herausforderung. Dann suchen wir Inspiration. Wir schauen uns an, was andere Menschen dazu sagen oder geschrieben haben. So erhält man Puzzleteilchen, die uns bei der Suche nach Lösungen helfen. Die nächste Phase nennt sich „Inkubation“. Hier muss man das Problem wieder loslassen und man denkt eher unbewusst um das Problem herum. Wenn sich dann die Puzzleteilchen auf eine überraschende Art neu zusammenfügen, ist das die berühmte „Illumination“, der Moment, in dem die Idee plötzlich an die Oberfläche springt. Jetzt haben wir das tolle Gefühl: „Das ist die Lösung, da hätte ich auch früher drauf kommen können!“. Anschließend geht es in die Umsetzung und die Entscheidung, ob die Idee praktikabel und wertvoll ist. Es gibt also nicht einen kreativ-machenden Zustand, in dem wir alles gleichzeitig leisten können, sondern ich gehe im kreativen Prozess durch verschiedene Aktivierungszustände des Gehirns hindurch.
Wie kann man sein Gehirn beim kreativem Denken aktiv unterstützen?
Das kommt auf den Moment im kreativen Prozess an. Wenn ich ein Problem analysiere, muss ich am Anfang sehr wach sein. Da brauche ich einen hohen Erregungszustand, um die ganzen Informationen zu verarbeiten. In der Inkubationsphase ist es dann wichtig, das Gehirn herunterzufahren. Man kennt das ja, dass Halb-Wach-Zustände das Ausbrüten von Ideen begünstigen. Das ist die Ruhephase, in der sich die Dinge überraschend miteinander verbinden. Danach muss ich quasi wieder auftauchen und entscheiden: Ist die Idee nützlich oder wertvoll? Bringt sie mich ans Ziel?
Das Wissen um diese Phasen des kreativen Prozesses hat also einen ganz praktischen Wert...
Na klar. Nur wenn ich mir bewusst bin, an welchem Punkt des Kreativitätsprozesses ich mich gerade befinde, kann ich mein Verhalten optimal darauf einstellen und passende äußere Einflüsse und Umgebungen suchen. Es nützt nichts, wenn ich mich hinsetze, ein Glas Wein trinke und die Augen schließe, aber noch keine klare Vorstellung vom Problem im Kopf habe oder mir die Inspirationen noch nicht zusammen gesammelt habe, die ich brauche.
Eine anregende und gleichzeitig reduzierte Umgebung, in der man wirklich Ruhe hat, ist hilfreich, wenn man Inspiration sucht. Wenn man beispielsweise durch Berlin läuft, findet man viel Inspiration ? etwa durch die vielen Bildeindrücke, Menschen, etc. Danach ist es aber auch gut, sich in eine ruhige Umgebung zu begeben oder nach Brandenburg in den Wald zu fahren, um dort spazieren zu gehen und die ganze Inspiration zu verarbeiten.