Frau Mumm, warum behalten Menschen Gegenstände statt die Wohnung mal zu entrümpeln?
Das Behalten hat einen Erinnerungswert. Man hält an etwas aus der Kindheit oder aus schwereren Zeiten fest. Ich glaube, wir haben eine Mischung aus Dingen, die uns an etwas Bestimmtes erinnern: an Menschen oder an Situationen. Auch Status spielt eine Rolle: Wir verbinden unsere Identität manchmal mit bestimmten Dingen, wie zum Beispiel einem tollen Haus, einem teuren Auto oder schicker Kleidung.
Und dann fällt es irgendwann schwer, uns von den Dingen oder dem Status zu trennen?
Die größte Rolle spielt der Besitztumseffekt. Das heißt: Wir bewerten das, was uns gehört höher als etwas, was uns nicht gehört. Ich besitze zum Beispiel etwas mit einem Wert von 100 Euro. Frage ich jemanden, was dieser Gegenstand wohl wert ist, sagt er vielleicht „50 Euro“. Dann denke ich: „Nein. Für 50 Euro bekommst du das nicht, weil es 100 Euro wert ist.“ Rein objektiv betrachtet liegt die Wahrheit vielleicht dazwischen. Jedenfalls ist es so, dass viele Dinge einem so wertvoll sind, dass man sagt: „Ich kann mich nicht davon trennen, weil der Gegenwert nicht in Geld zu berechnen ist.“
Ist Entrümpelung demnach ein altes Thema?
Ich glaube, seit es Menschen gibt, die irgendeine Form von eigenem Besitz haben, ist das ein Thema. Und solange wird es dieses Thema auch geben. Die Besitztümer ändern sich, aber nicht die Tatsache, dass man an Dingen hängt.
Wen betrifft die emotionale Abhängigkeit von Dingen?
Jeden. Es gibt natürlich wie immer Ausnahmen im Leben. Manche Menschen tun sich schwerer, Bindungen zu Personen und Dingen einzugehen. Die haben es hier natürlich einfacher. Sie trennen sich folglich leichter von Dingen, die ihren Zweck erfüllt haben, aber nicht mehr den Anforderungen der Zeit entsprechen.
Spielen auch familiäre Bedingungen eine Rolle?
Gelernte Dinge aus Familien spielen eine Rolle: Wie wichtig war es, in unseren Familien etwas aufzuheben? Darf ich überhaupt das Teeservice meiner verstorbenen Großmutter weggeben? Rein theoretisch gibt es keine Person, die mir das verbieten kann. Aber widerspricht das der Familientradition? Trennungen können immer schmerzlich oder befreiend sein.
Kennen Sie die Sendung „Bares für Rares“? die Begründungen sind manchmal aberwitzig, warum die Leute etwas versteigern. Einige sagen: „Ich möchte das Geld für ein gutes Essen ausgeben“. Sie trennen sich dafür sogar von wertvollen Gegenständen, die ihre Eltern ihnen geschenkt haben.
Ich glaube, dass jeder Mensch seine Strategien entwickelt, wenn er sich wirklich von etwas trennen will und nicht zum Messie werden möchte. Denn das ist das Problem derjenigen, die man auch teilweise im Fernsehen sieht. Diese Menschen ersticken in ihren Sachen, weil sie sich von gar nichts mehr trennen und nicht loslassen können. Als Beispiel nenne ich die Bücherkisten, die man eigentlich ausmisten müsste. Aber mancher denkt sich: „Hm. Da ist vielleicht noch etwas drin, was ich gebrauchen kann.“ Also trenne ich mich nicht davon.